Am 5. März 2020 hat die Bibliothek Zug die cloudbasierte Library Services Platform Quria und das Bibliotheksportal Arena von Axiell in Betrieb genommen – als erste Schweizer Bibliothek und als eine der ersten weltweit.
Susanne Manz
Wie die Bibliothek in die Cloud geht, macht die Bibliothek Zug vor: Dem Go-live waren eine umfangreiche Evaluation sowie eine intensive Vorbereitung mit ausgiebigem Testen der migrierten Daten und Funktionalitäten vorausgegangen. Auch einige Wochen nach der Migration gibt es noch einige Aspekte zu bereinigen, doch eines steht in Zug bereits fest: der Entscheid für Quria/Arena war richtig und der Aufwand hat sich gelohnt!
Ausgangssituation
Die Ablösung des Bibliothekssystems war ein Projekt, mit dem sich die Bibliothek Zug schon seit einigen Jahren intensiv befasst hatte. Das vorherige LMS BIBDIA war bereits seit 1986 im Einsatz und ebenso wie der dazugehörige Web-OPAC allmählich sichtbar in die Jahre gekommen. So war der Ersatz dieser Software denn auch eines der ersten großen Vorhaben, das die Leiterin Pia Rutishauser nach ihrem Stellenantritt Ende 2015 in Angriff genommen hatte.
Wie viele Bibliotheken aus eigener Erfahrung wissen, ist eine solche Ablösung jedoch ein komplexer Prozess, der sorgfältige Abklärungen sowie eine gehörige Portion Durchhaltevermögen erfordert. Schließlich soll das neue LMS nicht einfach nur Medien- und Kundendaten verwalten, sondern auch zuverlässig funktionieren, für die Mitarbeitenden einfach zu handhaben sein und gleichzeitig die Kunden durch ein ansprechendes Layout und benutzerfreundliche Funktionalitäten begeistern – und das alles nicht nur heute und morgen, sondern für mindestens die nächsten 10 Jahre!
So ließ sich denn auch die Bibliothek Zug ausreichend Zeit, um die in Frage kommenden Produkte besser kennenzulernen und sich mit anderen Bibliotheken auszutauschen. Praktischerweise befanden sich verschiedene Schweizer Kollegen in derselben Situation, so dass gemeinsame Produktpräsentationen organisiert und Bedürfnisse untereinander und mit den Anbietern diskutiert werden konnten. Als Stadt- und Kantonsbibliothek ist die Bibliothek Zug ja nicht nur die öffentliche Bibliothek der Stadt Zug, sondern erfüllt gleichzeitig auch einen kantonalen Sammelauftrag, der teilweise völlig andere und oft komplexere Anforderungen an eine Bibliothekssoftware stellt. Schon bald wurde – wenig überraschend deutlich, dass der Markt der entsprechenden Produkte relativ überschaubar und die eierlegende Wollmilchsau nicht im Angebot war, dass aber verschiedene interessante Systeme in Frage kommen könnten.
Evaluation und Systemauswahlverfahren
Das offizielle Projekt zur Evaluation und Auswahl eines neuen LMS startete im September 2017 mit einem Workshop, in dem Mitarbeitende der Bibliothek Zug zusammen mit zwei externen Expert/-innen Anforderungen an das zukünftige Bibliothekssystem definierten. Daraus resultierend wurden anschließend in Zusammenarbeit mit der Abteilung Informatik der Stadt Zug ein Pflichtenheft und ein Anforderungskatalog sowie alle weiteren erforderlichen Dokumente für die Ausschreibung erstellt. Angesichts der budgetierten Projektkosten erfolgte die Ausschreibung im Einladungsverfahren, wobei fünf verschiedene Anbieter angeschrieben wurden. Drei dieser Firmen unterbreiteten der Bibliothek Zug schlussendlich eine Offerte und wurden für Produktpräsentationen nach Zug eingeladen.
Gleichzeitig fanden Referenzbesuche bei anderen Bibliotheken statt, welche die angebotenen Systeme bereits nutzten – in zwei Fällen vor Ort bei Schweizer Kolleginnen und Kollegen, während die Referenz für Axiell Quria via Skype-Meeting eingeholt wurde, da diese Software im Frühling 2018 erst in Drammen (Norwegen) im Einsatz war.
Nach den Präsentationen und Gesprächen mit Kolleg/-innen galt es schließlich, die Produkte abschließend miteinander zu vergleichen und den definitiven Entscheid zu fällen. Dies war leichter gesagt als getan, hatte doch jedes System wieder andere Stärken und Schwächen. Die Kombination der beiden Axiell-Produkte Quria und Arena war zwar vergleichsweise etwas teurer als die Angebote der Konkurrenz, bot dafür aber auch wesentlich mehr als man von traditionellen LMS gewohnt war: ein vollständig cloud- und browserbasiertes Bibliothekssystem auf der Bibliotheks- und einen in ein CMS integrierten Online-Katalog auf der Kundenseite, was eine separate Website zusätzlich zum OPAC komplett überflüssig machen würde.
Die Produkte von Axiell schienen auf verschiedenen Ebenen schon deutlich besser für die bibliothekarische Zukunft gerüstet zu sein als jene der Konkurrenz, von der FRBR-Struktur und vollumfänglichen RDA-Unterstützung der Katalogdaten über die Verwaltung von Veranstaltungen im LMS bis hin zum klaren und responsiven Design von Arena als Bibliotheksportal. Dadurch konnten bei der Bewertung der Produkte wesentlich mehr Punkte erzielt werden, was den etwas höheren Preis mehr als wettmachte. Auch seitens der Abteilung Informatik der Stadt Zug wurde eine cloudbasierte Lösung favorisiert, und nachdem die Serverstandorte in der EU von der kantonalen Datenschutzbeauftragten gutgeheißen worden waren, stand der Entscheid fest: die Bibliothek Zug würde zukünftig mit Quria und Arena von Axiell arbeiten!
Projektverlauf und Implementierung
Ursprünglich war geplant worden, in einer ersten Phase des Projekts die Benutzerschnittstelle Arena zusammen mit dem bestehenden LMS BIBDIA in Betrieb zu nehmen und anschließend sozusagen „im Hintergrund“ BIBDIA durch Quria abzulösen. Deshalb wurde im September 2018 zuerst das Teilprojekt Arena und gegen Ende des Jahres das Teilprojekt Quria gestartet, beide jeweils mit einem Kick-off-Meeting vor Ort in Zug. An diesen Treffen wurden nochmals die Anforderungen der Bibliothek Zug aus der Ausschreibung besprochen und wo nötig konkretisiert oder angepasst. In den darauffolgenden Monaten geriet das Gesamtprojekt jedoch etwas ins Stocken, hauptsächlich aufgrund von personellen Umständen auf beiden Seiten. Diese konnten aber glücklicherweise rasch behoben werden, so dass im Sommer 2019 die geplante Inbetriebnahme von Arena mit BIBDIA weiter vorangetrieben wurde.
Im Herbst zeigte sich jedoch dass diese Kombination auch nach mehrwöchigen Tests und Anpassungen im Detail nicht so funktionierte, dass sie den Qualitätsansprüchen der Bibliothek Zug genügt hätte: Hintergrund war hier, dass nicht alle bibliographischen Details der nach eigenen Hausregeln erfassten Katalogdaten im UNIMARC-Format in Arena vollständig abgebildet werden konnten und die Suche dementsprechend lückenhafte Trefferlisten produzierte. Der Aufwand für die BIBDIA/Arena-Kombination schien zunehmend ein Ausmaß anzunehmen, welches sich für eine Lösung nicht rechtfertigen ließ, die ohnehin nur einige Monate in Betrieb sein würde. Deshalb wurde im November entschieden, stattdessen die Migration von BIBDIA zu Quria voranzutreiben und Arena erst in Kombination mit dem neuen LMS in Betrieb zu nehmen.
Dieser Entscheid erforderte eine Umstrukturierung und Neuplanung des Projekts, erwies sich im Nachhinein aber eindeutig als richtig. Unter der kompetenten Projektleitung durch Mathias Lööv von Axiell Schweden wurde innerhalb kurzer Zeit ein neuer Projektplan vorgelegt, der anschließend zuverlässig eingehalten wurde: im Dezember 2019 erfolgte eine erste und im Februar 2020 eine zweite Testmigration der Zuger Daten. Zusätzlich fanden im Januar an insgesamt fünf Tagen Schulungen durch Axiell vor Ort in Zug statt. Auch die hauptsächlich via Skype bzw. Microsoft Teams stattfindende Kommunikation zwischen Axiell und der Bibliothek Zug war zu Beginn zwar etwas gewöhnungsbedürftig, funktionierte aber im weiteren Projektverlauf sehr gut und gehörte für das Projektteam schon bald zum normalen Arbeitsalltag.
Neben der Anbindung der RFID-Geräte von Bibliotheca stellte die Migration der Katalogdaten die zentrale Herausforderung dar. Es galt, die UNIMARC-Daten aus BIBDIA in die FRBR-Struktur von Quria zu übertragen, wobei teilweise andere Felder als im Ausgangsformat belegt werden mussten. Durch FRBR wurden mit der Migration verschiedene Ausprägungen (z. B. Buch, Hörbuch, Film, E-Book und digitales Hörbuch) desselben Werks zusammengeführt, was Vorteile sowohl für die Bibliotheksmitarbeitenden als auch für die Kunden bietet, die dadurch in Arena rasch verschiedene Formen eines Werks finden können.
Glücklicherweise fand die erste Testmigration bereits im Dezember statt, so dass die „neuen“ Daten vom Team der Bibliothek Zug ausgiebig getestet werden konnten. Die zahlreichen Rückmeldungen flossen größtenteils schon in die zweite Testmigration vom Februar ein, und bis zur definitiven Migration konnten die meisten Fehler vom Dezember behoben werden. Das intensive Testen der Daten war zwar aufwändig, zahlte sich aber aus und wird jeder Bibliothek in einer ähnlichen Situation dringend empfohlen. Auch jetzt werden immer mal wieder neue Unregelmäßigkeiten entdeckt. An der nachträglichen Datenbereinigung wird fortlaufend gearbeitet, aber die Probleme werden weniger und betreffen zunehmend nur noch Details.
Change-Management und Teambeteiligung
Bei solchen Systemablösungen handelt es sich immer auch um Change-Projekte, deshalb war der Einbezug des gesamten Bibliotheksteams ebenfalls ein wichtiger Aspekt des Projekts. Glücklicherweise war von Beginn an ein großer Rückhalt beim Personal spürbar und die Notwendigkeit der Ablösung wurde kaum hinterfragt. Im Projektteam befanden sich Mitarbeitende aus verschiedenen Tätigkeitsbereichen und auch das übrige Team wurde regelmäßig über die erzielten Fortschritte und die weitere Planung informiert. Dieser Austausch sowie die Testphase vor dem Go-live bot allen Mitarbeitenden Gelegenheit, sich schon vor der Umstellung mit Quria und Arena vertraut zu machen und Feedback einzubringen.
Finale Vorbereitungen und Go Live
Mitte Februar fiel schließlich der Entscheid, den alle Beteiligten gespannt erwartet hatten: das geplante Go-live-Datum vom 5. März 2020 würde definitiv eingehalten werden! Aufgrund der aufwändigen Migration der Katalogdaten durften bereits ab dem 20. Februar keine neuen Medien erfasst und keine bestehenden Daten mehr geändert werden, und am 29. Februar um 16 Uhr ging das „Kapitel BIBDIA“ in Zug dann definitiv zu Ende: die Bibliothek schloss ihre Türen bis zum 4. März für die Systemumstellung und der Web-OPAC wurde abgeschaltet. Am Montag startete diese Phase mit der Migration der übrigen Daten und in der Bibliothek Zug wurde hinter verschlossenen Türen fleißig geschult, geübt, getestet und alles fertig konfiguriert und eingerichtet. Das Team von Axiell widmete sich vor Ort derweil auch der Anbindung der Peripheriegeräte sowie der gesamten RFID-Infrastruktur.
Am Mittwochabend waren zwar noch nicht alle Baustellen behoben, doch im Großen und Ganzen waren Team und Infrastruktur bereit. Nun warteten alle gespannt auf den großen Tag, und am 5. März um 9 Uhr war es schließlich soweit: Wiedereröffnung der Bibliothek mit Quria und Arena! Die Kolleg/-innen an der Theke bedienten die ersten Kunden mit dem neuen LMS, während ein weiterer Teil des Teams zusammen mit Axiell und Mitarbeitern der Stadt-IT im Hintergrund weiterarbeitete. Als sich am Freitagnachmittag schließlich die letzten Axiell-Mitarbeitenden auf den Weg nach Schweden bzw. Deutschland machten, waren die meisten akuten Probleme behoben und alle Beteiligten rundum zufrieden mit dem Verlauf der Migration und erleichtert über den erfolgreichen Start.
Fazit
Mehr als zwei Monate nach dem Go-live ist das Projekt natürlich noch nicht zu Ende: Wie es sich für eine solche Umstellung gehört, werden die Folgearbeiten noch eine Weile andauern – Daten müssen bereinigt, Kundenfragen zum neuen Online-Katalog beantwortet und einige zusätzliche Funktionalitäten implementiert werden. Nach einem nicht immer ganz leichten Start verlief das Projekt letztendlich aber sehr zufriedenstellend und für das Team der Bibliothek steht fest, dass der Schritt von BIBDIA zu Quria und Arena der richtige Entscheid war. Auch während der turbulenten Corona-Zeit mit Schließung, kurzfristiger Inbetriebnahme eines Lieferdienstes und zahlreichen Anpassungen der Konfiguration hat sich das LMS bewährt und konnte nicht zuletzt dank tollem Support durch Axiell die ungeplanten Herausforderungen erfüllen. Besonders wichtig war dabei sowohl im Projekt, als auch in den Monaten nach dem Go Live die tatkräftige Mitarbeit des ganzen Bibliotheksteams, das den Systemwechsel trotz großem Aufwand vorbildlich mitgetragen hatte.
Für die Bibliothek Zug hat sich gezeigt, dass eine sorgfältige und weitsichtige Planung, der Einbezug des gesamten Teams sowie intensives Testen und umfassende Schulungen die wichtigsten Faktoren für einen gelungenen Systemwechsel darstellen. Zudem zeigte sich, wie wertvoll bei einem solchen Großprojekt die Unterstützung einer externen IT-Abteilung wie jener der Stadt Zug ist, von deren Know-How in vielen wichtigen Fragen vom Ausschreibungsverfahren bis zum Datenschutz profitiert werden konnte. Die Bibliotheksleitung hatte mit dem Entscheid für ein junges und erst von wenigen Bibliotheken genutztes System Mut bewiesen, doch das Risiko zahlt sich nun definitiv aus – mit Quria und Arena ist die Bibliothek Zug bereit für die Zukunft.
Susanne Manz.
Leitet in der Bibliothek Zug den Fachbereich Interne Dienste und Projekte und war als Projektleiterin für die Evaluation eines neuen LMS sowie das anschließende Migrationsprojekt verantwortlich.
Kontakt: susanne.manz@stadtzug.ch