In einer wunderschönen Umgebung im Herzen Wiens gelegen, gilt sie als das geologische Gewissen Österreichs. Ihre Bibliothek ist vollgepackt mit mehr als 350.000 Büchern, handgezeichneten Landkarten, Briefen, Zeitschriften und Doktorarbeiten, von denen einige noch aus der Zeit vor 1849 stammen – dem Gründungsjahr der Geologischen Bundesanstalt (GBA). Die GBA ist die zweitälteste geologische Einrichtung der Welt und gleichzeitig in vielerlei Hinsicht die modernste.
Symbiose: Analog und Digital
Das neue Datenbanksystem bietet Geologen und anderen Wissenschaftlern auf der ganzen Welt einen direkten Online-Zugriff auf kostbare Schätze der Geologie-Geschichte.
„Es mag verrückt klingen, dass wir immer noch alles in Papierform sammeln. Aber verglichen mit Floppy Disks, Magnetbändern und CDs ist Papier auf die Dauer der Zeit gesehen weniger vergänglich. Wenn wir also alles scannen und jedes Detail im Adlib System online gefunden werden kann, haben wir die perfekte Symbiose von alt und neu“, erklärt Thomas Hofmann, Bibliothekar an der GBA und außerdem zuständig für Verlag und Archiv.
Der Verantwortungsbereich erstreckt sich auch auf das Gebiet der ehemaligen k. u. k. Monarchie. Denn es gibt bisher kein vollständiges Forschungsmaterial in Serbien, Kroatien und Ungarn. Ein Großteil dessen ist in Wien verblieben, wo es ursprünglich gesammelt wurde.
Wir haben alle Bergwerke kartographiert und nun besteht ein großes Interesse, diese Ressourcen zu nutzen”
Die geologische Goldgrube
Mehr als 120 Projektmitarbeiter und Festangestellte arbeiten in der Geologischen Bundesanstalt. Sie analysieren, evaluieren und forschen in so unterschiedlichen Fachgebieten wie Petrologie, Mineralogie und Paläontologie. Im Grunde genommen ist Geologie alles – das entscheidende Fundament unserer Zivilisation. Fossilien sind Zeugnisse der Entwicklungsgeschichte, von Gesteins- und Erzvorkommen, Öl- und Gasreservoirs. Sie geben Auskunft zur nachhaltigen Versorgung mit Trinkwasser, zu Umweltaspekten und geologischen Gefahren – in einem Gebirgsland wie Österreich von zentraler Bedeutung.
Die Bibliothek und ihr Informationssystem sind das Herz der Einrichtung. Die bibliothekseigenen Sammlungen bilden ihre Grundlage. Aus internationalen Partnerschaften z.B. mit der European Science Union (EGU) erhält die GBA zusätzlich Daten aus erstklassigen Fachzeitschriften und aus zehntausenden Abstracts. „Zu unserer Philosophie gehört, dass man auch Unerwartetes finden soll – eben alles, was Ideen anregen und innovative Wege eröffnen kann. Wir sammeln alles, auch Material, das andere aus Platzmangel verwerfen“, erläutert Hofmann. Die Universitäten konzentrieren sich auf Forschung, die vielleicht gerade im Trend liegt, aber ohne historisches Material gibt es nur schleppend Fortschritte. Vergleiche mit alten Zeichnungen von Mikrofossilien zum Beispiel können wertvolle Teile in einem Puzzle sein. Genauso wie geologische Landkarten, die sorgfältig per Hand gezeichnet wurden und Gebiete zeigen, die heute komplett anders aussehen.
Geschichte
Österreich war einst übersät mit kleinen Bergwerken. Obwohl sie mittlerweile stark zugewuchert sind, können sie mit Hilfe der alten geologischen Karten gefunden werden. Diese Karten zeigen auch Vorkommen von Substanzen, die wir heute nutzen, aber in der Vergangenheit kaum kannten. Vanadium, Germanium und Indium beispielsweise sind unverzichtbar für hochmoderne Touchscreens von Smartphones. „Seit wir alle Bergwerke kartographiert haben, besteht ein großes Interesse, diese Ressourcen zu nutzen“, stellt Peter Seifert, Direktor der GBA, fest.
„Wenn wir unser Material scannen und jedes Detail im Adlib System online gefunden werden kann, haben wir die perfekte Symbiose von alt und neu”
Zukunft
Die österreichische Regierung ist auf Leistungen der GBA wie die systematische geologische Vermessung von großen Gebieten angewiesen. Diese Karten dienen als Grundlage für Neubauten, Infrastrukturprojekte und Maßnahmen zum Wasserschutz. Ölkonzerne und andere Privatunternehmen bestellen Daten für unterschiedlichste Zwecke. Auch hier sind die historischen Schätze der GBA von unbezahlbarem Wert.
Geologen haben geographische Interessen und können in der Adlib-Datenbank nach Literatur über bestimmte Orte und Gebiete suchen. Interaktive Karten, Verfassernamen und tausende von Schlagworten in zwei Sprachen haben das Adlib-System zu einem Paradebeispiel in der Geo- Welt gemacht. Informationen werden auf Wunsch gescannt, und die Inhalte nehmen ständig zu. In einem nächsten Schritt werden alle Abteilungen der GBA mit dem System verlinkt, so dass Adlib als zentrales Informationsportal für alle Datenbanken fungiert.
Thomas Hofmann ist begeistert von den technischen Fortschritten. Trotz knapper personeller Ressourcen kann die Bibliothek ihren Service weltweit und rund um die Uhr anbieten. Trotzdem macht er keinen Hehl aus seiner Vorliebe fürs „Analoge“ – Papier in all seinen nostalgischen Formen. „Man muss die alten Bücher und Karten riechen, sie anfassen und erleben“, sagt der leidenschaftliche Sammler strahlend.
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